Nordsee- / Sandgarnele (Crangon crangon)

EN: Common brown shrimp NL: Gewone garnaal DK: Hestereje
Kurzbeschreibung Milliardenfach gefischter Langschwanzkrebs der Nordsee
Fundhäufigkeit 14 Fundmeldungen , Verbreitungskarte
Verbreitung
Nordsee, Ostsee, Atlantik Von Nordafrika und dem Mittelmeer entlang der Atlantikküste bis ins Weiße Meer, überall in der Nordsee sowie in der Ostsee bis Finnland verbreitet.
Status
heimisch Im Wattenmeer heimische Art, deren älteste Population jedoch im westlichen Wattenmeer beheimatet ist und dort vermutlich die letzte Eiszeit überdauert hat. Die Art zeigt Anpassungen an niedrige Populationsdichten (Sexuallockstoff der Weibchen, Möglichkeit zur Geschlechtsumwandlung der Männchen), was vermuten lässt, dass die Massenvorkommen der Garnele im Wattenmeer ein evolutiv "neues" Phänomen sind.
Größe und Alter
Männchen bis 7 cm, Weibchen bis 8, selten 11 cm; meist bis 2 Jahre alt Im Wattenmeer erreichen die Männchen meist eine Länge von 6 cm, die Weibchen bis zu 8 cm. Einzelfunde in Norwegen sollen bis 11 cm erreichen. Die Durchschnittsgröße der Garnelen im Wattenmeer hat seit den 1930er Jahren anscheinend abgenommen, was als Effekt der sehr intensiven Befischung interpretiert wird, die die Garnelen "klein züchtet".
Aussehen
Schlank, Schwanzstiel glatt, sehr häufige im Watt Durchscheinend grau gefärbter Langschwanzkrebs mit Schwanzfächer, fast körperlanges 2. Antennenpaar, darunter beiderseits ein blattförmiger Kopffortsatz. Die Helligkeit der Färbung passt sich dem Untergrund an, auch die gelben Farbanteile können variieren.
Lebensweise
Ruht vergraben im Boden oder wandert mit den Gezeitenströmungen zur Nahrungssuche auf die zeitweise trocken fallenden Wattflächen. Die Sandgarnele führt sowohl Gezeiten- als auch Jahreswanderungen durch. Mit jeder Tide dringen große Garnelen im Sommer auf die Wattflächen zur Nahrungssuche vor. Bei Ebbe ziehen sie sich in die Priele und Wattströme zurück. Jungtiere unter 3 cm Länge bleiben ständig auf den Wattflächen und überdauern in den Pfützen. Im Frühsommer sind hier oft massenhaft die wenige Millimeter langen Jungtiere zu beobachten.Garnelen sind überwiegend nachtaktiv. Tags liegen sie flach eingegraben im Boden, wobei nur die Stielaugen und die langen Antennen herausschauen. Zur Sauerstoffversorgung erzeugen Beinfortsätze unter dem Brustpanzer einen ständigen Wasserstrom, der über den Beinen eintritt und durch die Mundöffnung ausströmt. Junge Garnelen sind besonders unempfindlich gegen niedrige Salzgehalte und hohe Temperaturen. So können sie sich in Wattpfützen aufhalten, wo sie weniger durch Fische und große Artgenossen gefährdet sind. Der Wegfraß durch Vögel, Fische und Krebse ist enorm, und da die Garnelen auch selber einen erheblichen Fraßdruck ausüben, sind sie eine Schlüsselart im Ökosystem Wattenmeer. Verschiedene Farbträger in der Haut, die sich ausdehnen und zusammenziehen können, erlauben der Garnele einen Farbwechsel zur Tarnung (Melanin = schwarz, Guanin = weiß, Carotin = gelb & rot). Jedes Garnelenauge besteht aus etwa 1000 Einzelaugen (Facetten), die durch rot gefärbte Zwischenwände getrennt sind. Durch hormonelle Vorgänge kann das rote Schirmpigment sich zur Oberfläche bewegen, so daß die Augen rot werden.
Nahrung Sandgarnelen sind gefräßige Räuber, die aufgrund ihrer kleinen Scheren aber meist nur kleine Beutetiere fangen (Borstenwürmer, Schlickkrebse, junge Muscheln). Trotzdem greifen sie auch erheblich größere Tiere an, wenn diese verletzt sind, oder fressen frisch gehäutete Artgenossen. Daneben werden Aas und Algen verzehrt. Kleine Exemplare schwimmen auch frei im Wasser umher und fischen Plankton oder filtern dieses aus dem Atemwasserstrom heraus.
Feinde Wegen ihres massenhaften Auftretens ist die Garnele sowohl als Räuber als auch als Beutetier eine Schlüsselart im ökologischen Gefüge des Wattenmeeres.
Fortpflanzung
Die Weibchen legen pro Saison in bis zu drei Schüben insgesamt bis zu 14.000 Eier, die sie unter dem Bauch umhertragen. Die winzigen Larven treiben einige Wochen im Plankton umher und gehen mit 5 mm Größe im Watt zum Bodenleben über. Die im Spätwinter geschlüpften Larven ergeben einen Großteil der Population und laichen im kommenden Winter selbst wieder, haben also einen einjährigen Lebenszyklus. Garnelenweibchen laichen meist dreimal jährlich, wobei zwei Eiablagen zwischen April und August stattfinden, die dritte im Winter. Nach der Überwinterung im Tiefwasser schlüpfen im April die ersten Larven (Zoea) aus den an den Bauchfüßen der Weibchen angehefteten Eiern. Sie wachsen im Plankton bis zu einer Größe von 5 mm heran und gehen dann in Küstennähe zum Bodenleben in Wattpfützen über. Alle 2 - 3 Wochen häuten die Jungtiere sich, wobei ihr Panzer jeweils um etwa 10 % wächst. Männchen werden ab einer Größe von 3 cm geschlechtsreif, die Weibchen bei einer Länge von ca. 5 cm nach 25 Häutungen. Das Maximalalter der Garnelen liegt bei 4 - 5 Jahren, normal sind 3 Jahre, gefischtw erden sie oft schon nach einem Jahr.
Jahreszyklus
Garnelen nutzen das Wattenmeer nur in der warmen Jahreszeit, im Herbst wandern sie ins Tiefwasser ab In den von der Sonne erwärmten Wattpfützen erscheinen im Mai Heerscharen von wenige Millimeter langen Garnelen. Sie sind sandfarben oder durchsichtig und huschen unauffällig mit kurzen Schwimmstößen am Boden umher. Droht Gefahr, vergraben sie sich augenblicklich im Sand oder schnellen mit kräftigen Schwanzschlägen davon. Diese jungen Garnelen sind der diesjährige Nachwuchs. Sie nutzen die warmen Flachwasserzonen des Wattenmeeres, um hier schnell heranzuwachsen. Innerhalb weniger Wochen erreichen sie eine Länge von 3 cm. Dann sind sie so groß, dass sie sich im Sand der Wattpfützen nicht mehr gut verstecken können. Sie beginnen daher schon bald mit einer Wanderung im Gezeitenrhythmus: Mit der Flut auf die Wattflächen hinauf, mit der Ebbe wieder zurück in die Priele. Den Winter verbringen die älteren Garnelen im Tiefwasser außerhalb des Wattenmeeres. Die Rückkehr ins Watt setzt im März/April ein, wenn dort die Wassertemperatur zu steigen beginnt. Ab Oktober/November wird das Watt kühler als die Nordsee, und die Garnelen wandern wieder ab.
Nutzung
Im Wattenmeer intensiv gefischte Art mit ökonomischer und touristischer Bedeutung (Anblick von Krabbenkuttern) Der Garnelenfang mit Schiebenetzen (Hamen, Gliep) wurde seit Jahrhunderten für die Eigenversorgung betrieben. Mit verbesserten Verkehrsmöglichkeiten (Eisenbahn) entstanden um 1900 auch Absatzmärkte für eine gewerbliche Garnelenfischerei mit Baumkurrenkuttern. Das Grundschleppnetz (Kurre) wird von einem bis 12 m breiten Stahlrohr (Baum) offen gehalten und scheucht mit einer Rollenkette die Garnelen aus dem Boden. Diese werden direkt an Bord in Salzwasser gekocht und später an Land aus dem Panzer "gepult". Garnelen werden heute unter den Handelsnamen Krabbe, Porre oder Granat in großen Mengen konsumiert. Der Jahresfang beträgt bis zu 40.000 t, davon 10.000 t in Deutschland. Das Pulen der Garnelen war bis Ende der 80er Jahre ein wichtiger Nebenerwerbszweig in Heimarbeit, wird seither jedoch fast ausschließlich in Marokko (!) und Osteuropa erledigt. Krabbenpulmaschinen sind technisch nicht ausreichend perfektioniert, um die Langstreckentransporte zu ersetzen. Eine Verarbeitung der Schalenreste aus Chitin zu einem organischen Kunststoff (Chitosan) ist in der Erprobung. Da die Garnele sehr schnellwüchsig und fortpflanzungsfähig ist, zeigen die Bestände bis heute trotz intensiver Nutzung nur geringe Anzeichen von Überfischung. Zwischen den Krabbenfischern herrscht ein harter Konkurrenzdruck, zumal Verarbeitung und Großhandel nahezu monopolistisch strukturiert sind, so dass der Zwischenhandel die Preise drücken kann.
Hätten Sie gedacht, dass...
... es noch weitere Garnelenarten an der Küste gibt, z.B. die durchsichtige Brackwassergarnele und die zierlichen Schwebegarnelen?
  • ... ein Brötchen mit gepulten Garnelen zwar „Krabbenbrötchen“ heißt, daß Krabben aber eigentlich die runden Krebse mit den kräftigen Scheren sind?
  • ... lebende Garnelen ihre Farbe schnell ändern können, indem sich Farbpunkte in ihrer Haut ausdehnen oder zusammenziehen?
  • ... die rosa Färbung gekochter Garnelen (und anderer Krebse) durch die Zerstörung eines Farbstoffes entsteht, der im Leben blauschwarz ist?
  • ... jährlich in der Nordsee etwa 25.000 t Garnelen gefangen werden, davon 10.000 t in Deutschland?
  • ... das Krabbenpulen heute nicht mehr in Heimarbeit erfolgt, sondern in Polen oder Marokko?
  • ... weltweit immer mehr Garnelen (Shrimps) gefangen und gegessen werden, weil die Raubfische, die früher die Garnelen fraßen, bereits „alle“ sind?
  • ... es ruhig in einem Priel stehenden Wattwanderern passieren kann, dass die allzeit hungrigen Garnelen an ihren Füßen zu knabbern versuchen?
ähnliche Arten
Kerbschwanzgarnele, Zweidornige und Dreidornige Garnele Die sehr ähnliche Kerbschwanzgarnele (C. allmani) hat einen scharfen Mittelkiel auf dem letzten Hinterleibsglied vor dem Schwanzfächer. Die Zweidornige und Dreidornige Garnele (Philocheras bispinosus & trispinosus) sind breiter und plumper mit Dornen auf der MItte des Rückenschildes.
Quellen Hufnagl et al (2010): Hermaphroditism, Mar Biol 157:2097-2108
Steckbriefbild:
Nordsee- / Sandgarnele

Bildinformationen: Nordsee- / Sandgarnele

Autoren Rainer Borcherding
Lizenzbesitzer Schutzstation Wattenmeer
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Lizenz cc-by-sa 3.0
Hätten Sie gedacht, dass....
... die Nordsee- oder Sandgarnele auch Porre, Krabbe oder Granat genannt wird?